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We are Family - Ein erfülltes Leben als SOS-Kinderdorfmutter
07/12/2017 von Berit
Dieser Achtsamkeitstag gegen Ende der Happy Family Woche liegt mir besonders am Herzen. Familie kann nämlich sehr viele unterschiedliche Facetten und Konstellationen haben. Das Wichtigste ist und bleibt in jedem Fall, dass sie ein Ort der Sicherheit und Geborgenheit ist, wo Liebe und Achtsamkeit weitergegeben werden und die Kinder in Harmonie und Glück aufwachsen können.
Leider ist dies nicht immer der Fall. Wenn man selbst Mama ist, tut es besonders weh zu wissen, dass es Kinder gibt, die aus unterschiedlichen Gründen keine Eltern haben, die für sie sorgen können. Zum Glück gibt es in Deutschland ein breites, soziales Netz und wunderbare, aufopferungsvolle Menschen, die mithelfen, dass benachteiligte Kinder trotzdem die Möglichkeit bekommen, mit Menschen aufzuwachsen, die sie lieben.
In meiner Kindheit haben wir jedes Jahr vor Weihnachten ein selbstgemaltes Postkartenset von SOS-Kinderdorfkindern bekommen. Ich war damals ganz fasziniert von der Geschichte, die meine Mama dazu erzählte. Ein SOS-Kinderdorf habe ich mir dann wie eine riesige Ansammlung kleiner Holzhäuschen vorgestellt, in denen ganz viele Kinder zusammen wohnen. Ich wollte unbedingt ein solches Dorf besuchen und konnte mir gar nicht vorstellen, wie es überhaupt sein kann, dass jemand ohne Eltern aufwachsen muss. Mittlerweile weiß ich natürlich, dass die Kinder dort nicht alleine wohnen, sondern mit liebevollen Kinderdorfmüttern und –vätern, in einem richtigen Haus, als kleine Einheit. Wie faszinierend sind diese Menschen, die rund um die Uhr mit einer Gruppe Kinder zusammenleben, die nicht selten aus sehr problematischen Verhältnissen kommen? Ich bin überglücklich, dass ich mich mit einer Kinderdorfmutter unterhalten durfte, sie mit meinen unzähligen Fragen löchern konnte und ein wenig hinter dieses Prinzip der Achtsamkeit schauen durfte.
Wer Vera zuhört, der merkt schnell, dass Liebe und Achtsamkeit ganz andere Dimensionen haben können. Sie ist 54 Jahre alt und seit 22 Jahren Kinderdorfmutter im SOS-Kinderdorf Oberpfalz. Seit etwa 8 Jahren leben in ihrer Kinderdorffamilie vier Mädchen und ein Junge. Drei bzw. zwei von ihnen sind jeweils auch leibliche Geschwister. Das ist bereits die zweite "Generation" Kinder, die bei ihr lebt. Zuvor hatte sie fünf leibliche Geschwister in ihrer Kinderdorffamilie. Diese fünf Kinder kamen im Alter von 11 Monaten bis fast 8 Jahren zu ihr. Sie blieben mit ihr zusammen bis sie ihre Schule abgeschlossen und ihre Berufsausbildung begonnen haben. Seitdem leben sie wie andere junge Erwachsene selbständig ihr eigenes Leben. Der Kontakt ist immer noch sehr intensiv. Die Großen kommen immer noch regelmäßig zu Besuch, so auch an Weihnachten. Dann feiern alle zusammen – Veras jetzige Kinder und die Großen. Die Ältesten bringen auch schon ihre beiden eigenen Kinder mit, die für sie ihre Enkelkinder sind.
* Neun Fragen an
Vera *
Liebe Vera, SOS-Kinderdorfmutter zu werden ist eine Lebensentscheidung. Auf welchem Weg hast du deine Berufung gefunden?
Ich habe nach der Schule eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin gemacht und 14 Jahre in diesem Beruf gearbeitet. In der Praxis hatte ich viel Kontakt zu Kindern und mir ist dabei klar geworden, dass ich einen ganz besonderen Draht vor allem zu den ängstlichen Kindern habe. So ist in mir langsam der Wunsch entstanden, mein Leben Kindern zu widmen, für die das Leben nicht so einfach ist und die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Genau in dieser Zeit habe ich durch Zufall ein Zeitungsinserat von SOS-Kinderdorf gelesen. Das hat mich neugierig gemacht und ich wollte wissen, um was es im Beruf der SOS-Kinderdorfmutter geht. Ich wurde zu einem Gespräch eingeladen, bei dem wir alle meine Fragen klären konnten. Ganz besonders hat mich damals die Atmosphäre im Kinderdorf beeindruckt: Die heimeligen Familienhäuser und das Miteinander der Menschen. Auch habe ich andere Frauen kennengelernt, die bereits SOS-Kinderdorfmütter waren und die mir von ihrer Arbeit und ihrem Leben erzählt haben. Letztlich habe ich dann ein Jahr im SOS-Kinderdorf als Praktikantin mitgearbeitet und schließlich die Ausbildung zur SOS-Kinderdorfmutter gemacht.
Abgesehen vom Fachlichen, was sind die menschlichen Voraussetzungen, die eine Kinderdorfmutter mitbringen sollte?
Die fachliche Ausbildung und Fähigkeit als Pädagogin ist nur das eine. Viel wichtiger finde ich, dass ich mit den Kindern zusammenleben möchte und einen guten Zugang zu Kindern habe. Dazu braucht man viele Fähigkeiten wie Geduld, auch Ausdauer, Lebendigkeit und Kreativität. Wichtig sind auch liebevolles Verständnis und Offenheit für Unerwartetes und Neues.
Was ist in deinem Familienalltag und in deiner Erziehung unerlässlich?
Wir leben einen Alltag wie jede andere Familie auch. Wir haben feste Tagesabläufe mit Schule, Mahlzeiten, gemeinsamer Freizeit usw. Dabei spielen auch feste Alltagsrituale wie z. B. das Vorlesen einer Gute-Nacht-Geschichte eine große Rolle. Außerdem feiern wir alle Jahresfeste wie Ostern, Weihnachten oder die Geburtstage der Kinder gemeinsam, genießen gemütliche Sonntage, machen Ausflüge oder Urlaub. Alles eben, was ein Familienleben so ausmacht.
In der Erziehung ist es wichtig, die Kinder wahrzunehmen und zu sehen, was sie brauchen, welche Bedürfnisse und Nöte sie haben. Alle meine Kinder kommen aus Familien, in denen es vielfältige Probleme gab. Die Eltern haben es leider aus verschiedenen Gründen nicht geschafft, sich gut genug um die Kinder zu kümmern. Die Kinder haben viele belastende Erfahrungen gemacht. Sie müssen daher angenommen werden, wie sie sind, sie brauchen Liebe und Geborgenheit, aber auch Erziehung und Förderung, Orientierung und Grenzen. Nur so können sie sich gut entwickeln.
Was ist dabei die größte Herausforderung in deinem Beruf?
Wie ich schon gesagt habe, mussten meine Kinder schon viel Schwieriges in ihrem Leben durchmachen. Manche hatten am Anfang kaum noch Vertrauen in Erwachsene. Entsprechend plagen die Kinder manchmal Ängste, Schmerz und Trauer über das Erlebte, was bei einigen auch immer wieder in Wut und Zorn umschlägt. Das auszuhalten, ist manchmal schon belastend und kostet viel Kraft. Letztlich schaffen wir es aber – gerade weil die Kinder ja viele Jahre bei mir leben – sie bei all dem zu unterstützen. Denn die Kinder müssen lernen, mit all ihren Erlebnissen umzugehen. Das ist wichtig, damit sie später in ein gutes, selbständiges Leben starten können.
Gerade vor kurzem hatte ich beispielsweise ein tolles Gespräch mit einem meiner Großen, der momentan auf sein Leben und die Zeit bei mir zurückblickt. Es ist für mich faszinierend, wie gut unsere Bindung über all die Jahre geworden ist, so dass er jetzt auch über solche schwierigen Themen sprechen kann. Da merke ich, dass ich für das, was ich bisher gegeben habe, auch viel zurückbekomme und dass meine Arbeit wertvoll und sinnvoll ist.
Was ist für dich ein Leitgedanke im Zusammensein von Eltern und Kindern?
In einer Kinderdorffamilie leben wir mit den Kindern zusammen, ganz normal wie andere auch – Familie eben. Wir leben Beziehung. Wir vermitteln Werte wie Achtung voreinander und dass jeder Mensch wertvoll ist. So können die Kinder dies durch das Zusammenleben im Alltag richtig erleben und erfahren. Das wirkt mehr als 1.000 Worte. Nicht zuletzt kommt es darauf an, den Kindern ein Vorbild zu sein. Denn die Kinder lernen auch daraus wie ich selbst mit Dingen umgehe. Manches übernehmen sie und es gibt ihnen die Möglichkeit, in ihrem Leben zurecht zu kommen. Sie lernen, dass es auch anders sein kann als das, was sie in ihren leiblichen Familien erlebt haben.
Es gibt bestimmt Situationen, die dich an deine Grenzen bringen. Wie holst du dich dort wieder heraus und bringst dich wieder ins seelische und körperliche Gleichgeweicht?
Natürlich ist auch in einer SOS-Kinderdorffamilie nicht immer alles eine "heile Welt". Gerade wenn die Kinder innerlich angespannt sind, wenn sie Frust erleben oder einfach nur unsicher sind, kommt es auch zu schwierigen Situationen. Dann gibt es Streit, es knallt schon einmal eine Tür oder es fliegt ein Schulbuch in die Ecke. Auch meine Nerven als Kinderdorfmutter sind dann manchmal arg angespannt und es wird anstrengend. Wichtig ist dann aber, möglichst ruhig zu bleiben, vielleicht auch mal kurz das Fenster aufzumachen und durchzuatmen. Danach können wir meistens wieder ruhiger weitermachen. Es ist schon auch oft belastend bei den Kindern mitzuerleben, wie sie doch unter all dem Erlebten von Früher leiden. Umso wichtiger sind dann die schönen, entspannten Situationen in unserem Familienalltag. Wenn es wieder ruhig zugeht und wir einfach schöne Zeiten miteinander erleben. Und nicht zuletzt ist es natürlich hilfreich, die Entwicklung der Kinder über die vielen Jahre, die sie bei uns leben, mitzubekommen.
Bei all dem gilt natürlich auch für mich als SOS-Kinderdorfmutter für einen Ausgleich zu sorgen und gut auf mich zu achten: Sport, Entspannungsübungen, ausreichend Schlaf – das ist mir wichtig. Hilfreich ist selbstverständlich auch, dass ich im Kinderdorf nicht alleine bin und viel Unterstützung durch die Erzieherinnen in meinem Team, durch Kollegen oder die Leitung des Kinderdorfs bekomme. Aber auch meine Verwandtschaft und meine Freunde sind für mich ein sehr wichtiger Anker.
Du hast einen Fulltime-Job der besonderen Art. Wenn du Zeit für dich hast, wie verbringst du sie und was empfiehlst du Müttern, wie sie ihren wenigen Freiraum effektiv für sich selbst nutzen können?
"Fulltime-Job" ist gut gesagt. Alle Eltern wissen, dass eine Familie mehr ist als ein Beruf. Wenn man da nicht aufpasst, kommt man schnell zu kurz und man ist immer auch gefährdet auszubrennen.
Das gilt natürlich genauso für uns SOS-Kinderdorfmütter: Wir achten darauf, mal Zeiten für uns zu haben und Hobbies zu pflegen. Ich spiele z. B. Querflöte und mache auch Sport. Und dann gilt es dafür die ausreichenden Nischen im Alltag zu finden. Dafür ist zwar oft nur wenig Zeit, aber umso wichtiger ist es, diese Augenblicke zu nutzen und aufzutanken. Nicht zuletzt ist mir wichtig, mein Haus schön zu gestalten und mir heimelige Ecken zu schaffen mit Dingen, die ich persönlich sehr gerne mag.
Du bist nicht nur Mutter, sondern musst auch noch diverse andere administrative und organisatorische Aufgaben übernehmen. Du bist wirklich ein Profi, wenn es um Familienalltag im Extremen geht. Welche Tipps gibst du Müttern, die mit ihren multiplen Belastungen an ihre Grenzen kommen?
Jede Mutter ist anders und geht mit ihren Belastungen unterschiedlich um. Was ich persönlich in meinen inzwischen 22 Jahren als Kinderdorfmutter gelernt habe, ist auf meine innere Stimme zu hören. So banal es klingen mag – wenn ich merke, dass ich ins Rotieren komme oder die Luft eng wird, dann mache ich ganz bewusst einen STOP. Das kann von kurz die Augen schließen und bewusst tief durchzuatmen bis zu einer (kurzen) Auszeit reichen. Wichtig ist in diesen Momenten eine gute Kommunikation innerhalb der Familie zu haben, um zu klären wie es weitergeht, wer was braucht und was man verbessern kann. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dies andere Erwachsene und auch die Kinder gut verstehen und dass vieles sich klären lässt. Und schließlich lernen die Kinder dabei ja auch wieder fürs eigene Leben, wie sie mit Schwierigkeiten und Belastungen umgehen können.
Deine Kinder haben oft schwierige Erfahrungen gemacht. Was heißt Achtsamkeit in der Familie für dich? Wie versuchst du Achtsamkeit in deiner Familie zu leben und weiterzugeben? Gibt es Tipps oder Rituale, die du in deiner Familie anwendest?
Das kann zum Beispiel der Satz sein „Tu deinem Leib etwas Gutes, dass die Seele Lust hat, darin zu wohnen“ und auch Kleinigkeiten im Alltag zu genießen: Der Duft meines Kaffees nach dem Aufstehen, die ersten Schneeflocken im Winter oder wenn ein Kind einfach am Morgen noch voller Tatendrang und Glückseligkeit mit einem Strahlen in den Augen in den Tag startet. Diesen Blick für die kleinen, schönen Dinge im Alltag versuche ich auch den Kindern zu beizubringen. Wichtig ist mir außerdem, den Tisch ansprechend zu decken, leckeres Essen zu kochen und das dann gemeinsam zu genießen. Auch da sind mir Kleinigkeiten wichtig: Zum Beispiel sollten immer verschiedene Farben auf dem Tisch sein, wie ein bunter Salat oder so.
SOS-Kinderdorf and YOU
In den ersten 13 Tagen des Achtsamkeitskalenders habe ich immer eine kleine Überraschung für euch bereitgehalten. Ein Geschenk, um euch eine Freude zu machen, euch zu verwöhnen oder um euch auf andere Gedanken zu bringen. Heute wünsche ich mir, dass wir etwas Achtsamkeit weitergeben. Wer glücklich mit seiner Familie und in seinem Zuhause ist, der möchte vielleicht die Gelegenheit nutzen, die zu unterstützen, denen es weniger gut geht. Nicht jeder kann einen solchen Einsatz zeigen, wie Vera als SOS-Kinderdorfmutter. Wen mein Gespräch mit ihr aber ebenso berührt hat wie mich, der darf gerne die Kinderhilfsorganisation SOS-Kinderdorf HIER unterstützen.
Dein Achtsamkeitsritual an Tag 14
von Vera - SOS-Kinderdorfmutter
„Halte Augen, Herz und Verstand offen für Menschen, die dir begegnen. Für mich drückt der Satz eine Offenheit aus, mit der ich versuche, anderen Menschen und auch meinen Kindern zu begegnen. Nicht immer schon mit irgendetwas zu rechnen, sondern, dass ich mich möglichst wertfrei auf Situationen und Begegnungen einlasse. Da können wir Erwachsenen übrigens gerade von Kindern sehr viel lernen!“ |
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Fotos: © SOS-Kinderdorf e.V. / Fotos: Maximilian Geuter