Bitte gesund werden - Hallo, Herr Husten! Guten Tag, Frau Bauchweh!
12/12/2016 von Berit
Das Lieblingsthema bei Müttern und alten Menschen? Krankheiten. In den ersten Kinderjahren muss man sich wirklich erst einmal darauf einstellen, dass Krankheiten und Wehwehchen den Alltag bestimmen. Das wirft natürlich nicht nur die Kleinen aus der Bahn, sondern auch die Eltern müssen irgendwie Ruhe bewahren, ihren Arbeitstag neu strukturieren, das Augenrollen des Chefs ignorieren, Pläne über Bord werfen und sich neu organisieren. So oft findet man sich im Wartezimmer des Kinderarztes wieder, sitzt stundenlang seine Zeit dort ab, nur um danach mitgeteilt zu bekommen, dass die vermeintlichen Symptome doch eigentlich gar keine sind. Oder man wartet zuhause ab, weil man denkt, es wird schon alles wieder in die Reihe kommen und währenddessen setzt sich ein Virus unbemerkt beim Kind so fest, dass man am Wochenende in der Notaufnahme landet.
Der Grat zwischen Sicherheit und Verunsicherung ist sehr schmal und vielleicht haben wir Eltern auch einfach das Gefühl für den Krankheitszustand unserer Kinder verloren, besser gesagt, nie gehabt.
Sophie Tegetthoff ist Kinderärztin in der Notaufnahme und könnte 1.000 und eine Geschichte aus ihrem Arbeitsalltag erzählen. Zusammen mit ihrem Vater Folke Tegetthoff, auch Mediziner, aber noch lieber großer Geschichtenerzähler, hat sie ein tolles Kinderbuch geschrieben, dass in diesem Jahr auf jeden Fall unter eurem Baum liegen sollte. Hallo, Herr Husten! Guten Tag, Frau Bauchweh! sind 18 Märchen, die davon erzählen, warum es wehtut… und die helfen, sich ein bisschen besser zu fühlen. Jede Kinderkrankheit wird in einen fantasievollen neuen Kontext gesetzt und erklärt leicht verständlich für die Kleinen, was denn da gerade eigentlich mit ihrem Körper passiert. Die Angst und Unsicherheit wird sowohl bei den vorlesenden Eltern genommen, als auch bei den gespannt zuhörenden Kindern. Alles doch nur halb so wild.
Sophie erzählt mir aber auch noch ein bisschen genauer, was es mit dem Buch auf sich hat und wie sich in der heutigen Zeit ihr Arbeitsalltag gestaltet.
Aus welchem Gedanken heraus ist dieses sehr besondere Buch entstanden? Gehen in den Augen der Ärzte die Eltern falsch mit Kinderkrankheiten um? Muss das Buch eher den Eltern, als den Kindern den Schrecken davor nehmen?
In Gesprächen mit Kinderärzten wurde deutlich, dass es hilfreich wäre, ein Werkzeug zu besitzen, mit dessen Hilfe man Kindern, aber auch deren Eltern bzw. Erwachsenen "krank sein" erklären, näherbringen und damit einen ersten Schritt zur Gesundung setzen könne. Aus dieser Ausgangssituation entstand die Idee, klassische Krankheiten, die speziell im Kindesalter auftreten, zu "Helden" von Märchen zu machen. Besonders wichtig ist, aufzuzeigen, dass das, was als "krank sein" verstanden wird, eine Reaktion des Körpers zur Wiederherstellung des gesunden Status quo ist – also durchaus als Positives zu sehen wäre. Versteht das Kind, was sich da Faszinierendes in seinem Körper abspielt, wird es sein Unwohlsein anders erleben.
Ich weiß von dir, dass ihr im Krankenhaus sehr mit dem Ansturm von Eltern zu kämpfen habt, die aus jedem Pups einen Notfall machen und die Wartezimmer in der Notaufnahme verstopfen. Wie erklärst du dir die Entwicklung, dass Eltern gar kein natürliches Empfinden mehr für Krankheiten haben?
Das stimmt! Ich habe oft den Eindruck, dass Eltern das Gefühl, die Intuition für ihre Kinder verloren habe. Früher wussten Eltern, Großeltern intuitiv, dass Zuneigung, Zeit, Liebe, Aufmerksamkeit einen ganz wesentlichen Teil des Gesundungsprozesses ausmachen. Und zwar nicht nur, weil es nett ist, sondern weil diese Tatsache sogar wissenschaftlich untermauert ist: Hautkontakt setzt biochemische Reaktionen frei und unterstützt somit Heilungsprozesse. Streicheln, Kuscheln, Berührung aktiviert das körpereigene Neurohormon Oxytocin. Dieses Hormon (das auch als Transmitter agiert) wirkt schmerzlindernd, senkt den Blutdruck und stärkt das Immunsystem. Und genau das braucht das Kind als erste und wichtige Stufe zu seiner Genesung!
Die besorgten Eltern kommen oft bereits bei den kleinsten Symptomen und erwarten, dass der Arzt sofort und schnell und umfassend eingreift. Oft können wir als Ärzte auch nicht viel tun (sprich sofort heilen) und ein wesentlicher Teil unserer Arbeit besteht auch darin, ernsthafte Krankheiten auszuschließen. Dafür fehlt aber vielen Eltern das Verständnis. Dies ist auch in engem Kontext zu der Gesamtentwicklung unserer (westlichen) Gesellschaft zu sehen, die für eine natürliche Heilung immer weniger Zeit in Anspruch nehmen will. "Natürlich" heißt, zum Beispiel Fieber nicht immer und sofort zu senken, sondern – und genau davon erzählt dieses Buch – diese sehr wirksame Maßnahme des Körpers wirken zu lassen.
Was rätst du generell im Umgang mit Krankheiten? Lieber öfter zum Arzt und die vermeintlichen Symptome kontrollieren zu lassen oder sich auch mal zusammenreißen und abwarten?
Genau bei dieser Entscheidung soll das Buch helfen. Eltern kennen ihre Kinder immer am besten und ich bin überzeigt davon, dass Eltern spüren wann es seinem Kind wirklich schlecht geht und wann man auch guten Gewissens noch abwarten kann bevor man zum Arzt geht. Bei Säuglingen beispielsweise, die schwer einzuschätzen sind, rate ich immer großzügiger einen Kinderarzt aufzusuchen, da sie auch deutlich schneller ernsthaft krank werden als ältere Kinder.
Im Umgang mit Krankheiten/ Symptomen muss man auch eine gewisse Geduld entwickeln. Ich erlebe es häufig, dass Eltern bereits beim Kinderarzt waren und dann zur Absicherung, wenn es dem Kind nicht sofort besser geht erneut einen Arzt aufsuchen. Dies führt zu Arbeitsüberlastung bei Ärzten und zu Unzufriedenheit bei den Patienten.
Das heißt, dass sich eigentlich der Umgang mit Krankheiten völlig verändert. Einfach entsprechend dazu, wie sich unsere Lebensumstände verändert haben?
Ja, ganz genau. Ein Problem der heutigen Gesellschaft sind auf jeden Fall auch die Medien bzw. das Internet. Eltern haben sich häufig bereits in diversen Internetforen belesen und kommen bereits mit Diagnosen zum Kinderarzt.
Grundsätzlich ist Informiertsein immer vorteilhaft, vorausgesetzt, man nutzt seriöse Quellen. Leider kursieren im Internet neben guter und sachlicher Information durchaus auch Fehlinformationen und Fehlmeinungen.
Wer also den Hustenbär, Hauptmann Fieber, die Drachengrippe, die Brechzwergin oder die Löwenzahnelfe einmal besser kennenlernen möchte, der sollte sich und seinem Kind unbedingt dieses einmalige Buch, denn wie wir jetzt wissen, lasse sich manche Krankheiten am besten mit viel Liebe, genügend Zeit und einem guten Buch bekämpfen.
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